Entstehungsgeschichte

Funktionierende Infrastrukturen vor Ort und Bildung sind der Schlüssel für eine lebenswerte Zukunft für alle.Initiator des Vereins Prof. Dr. Alois Stimpfle
Wie es zur Gründung von 'Uhola Village Foundation e.V.' kam (Kurzfassung)
Nach ihrem Abitur im Jahr 2013 lebt die damals 18-jährige Tabitha Stimpfle für sechs Monate bei einer kenianischen Gastfamilie in Nairobi, Kenia. Der stete und enge Kontakt zu ihren Gasteltern Nashon Omondi und Janet Mackenzie hat weitere gegenseitige Besuche (in Kenia und Deutschland) zur Folge. Im Oktober 2016 besucht Tabitha dann schließlich das Dorf Uhola mit Gasteltern und ihren leiblichen Eltern Alois und Susanne Stimpfle. Die Region im Westen Kenias an der Grenze zu Uganda ist gleichzeitig die Heimat des Gastvaters Nashon, dessen Mutter und weitere Familie noch heute dort lebt. Der Besuch vor Ort stellte den Initialpunkt der Vereinsgründung dar. Kenias Vielfalt und seine Menschen faszinierten aufs Höchste. Tief aber berührten auch die gegensätzlichen Lebensumstände wie das krasse Nebeneinander von Wohlstand und Armut. Eindrücke, die Vater und Tochter nicht ruhen ließen. Getreu dem afrikanischen Sprichwort “Viele kleine Leute, an vielen kleinen Orten, die viele kleine Dinge tun, werden das Antlitz dieser Welt verändern”, stellte die bayerisch-schwäbische Großfamilie Stimpfle das Gründungsteam dar und im März 2017 war der Verein “Uhola Village Foundation e.V.” geboren.

Kenia – erster Kontakt – Impressionen (von Tabitha Stimpfle)

Gerade 18 Jahre alt geworden, Abitur hinter sich gebracht und jetzt? Erst einmal ins Ausland, das stand fest! Für mich sollte es nicht irgendwohin gehen, sondern auf jeden Fall ins außereuropäische Ausland. Ich wollte etwas “ganz anderes” erleben. Deswegen entschied ich mich für einen Auslandsaufenthalt in Kenia, den ich – über Kontakte meiner Mutter zu einer damaligen Lehrerin der Deutschen Schule Nairobi (DSN) – privat organisieren konnte. Leben sollte ich in einer kenianischen Gastfamilie, deren damals dreijährige Tochter den bilingualen (Deutsch/Englisch) Kindergarten der DSN besuchte.

Nachdem der erste alleinige Flug meines Lebens gemeistert war, wurde ich von meiner Gastfamilie am Flughafen in Nairobi abgeholt: Und WIE “anders” es war! Abgeholt wurde ich nämlich mit einem riesigen Geländewagen, der gefühlt doppelt so groß war wie jegliches Auto, das meine eigenen Eltern je besaßen. Meine Gasteltern brachten mich in ein noch riesigeres Haus und ich kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus: Das soll Afrika sein? Das Afrika, das in meinem Kopf stets ausschließlich Assoziationen wie Armut, Kriminalität, Krankheiten, Dürre und Hunger hervorgerufen hatte. Das Afrika, das in unseren Medien gefühlt höchstens auftaucht, wenn ein Bürgerkrieg ausgebrochen ist oder eine Fußball-WM ausgetragen wird. Das “Land Afrika” halt (Vorsicht, Ironie!).

Natürlich gibt es Afrikaner, die sich durch ihre Bildung, ihr Engagement, ihre Kreativität und z.B. im Falle meines Gastvaters durch festen Willen, Ehrgeiz und Überzeugung ein Leben fernab von den stereotypischen Vorstellungen der meisten EuropäerInnen aufbauen können. Ich möchte gar nicht abtun, dass es auch die Seiten auf dem afrikanischen Kontinent gibt, die uns hauptsächlich medial vermittelt werden. Natürlich gibt es Armut, natürlich gibt es Kriege, natürlich gibt es Dürre, natürlich gibt es Aids, natürlich gibt es Hungersnöte, aber es gibt eben auch andere Seiten und vor allem sollte man sich fragen, weshalb es diese Zustände gibt. Ein differenziertes und reflektiertes Afrika-Bild zu vermitteln ist mir persönlich zu einem großen Anliegen geworden. Es ist nun mal nicht das “Land Afrika”, sondern der Kontinent. Und was für einer noch dazu! Abwechslungs- und facettenreich, sowohl kulturell, sprachlich, religiös als auch ethnisch.

Das Faszinierende an der Berichterstattung westlicher Medien: Sie lassen die Probleme Afrikas so erscheinen, als seien sie allgegenwärtig. Unruhen in einigen Ländern bedeuten aber lange nicht, dass sich ein über 30.000.000 Quadratkilometer großer Kontinent vollständig im Krieg befindet. Auch besorgte Fragen wie “Bist du dir wirklich sicher, dass du dort hingehen willst?” vor meinem ersten Kenia-Aufenthalt lassen sich bei Gedanken an Krankheiten wie HIV, Malaria, Ebola, die anscheinend unweigerlich aufkommen, wenn man Afrika erwähnt, wohl nachvollziehen. Dass ich jedoch ohne größere Zwischenfälle als junge, weiße Frau gut durch alle meine Afrika-Besuche gekommen bin, kann meiner Meinung nach nicht nur Glück sein.

Beim Lesen fragt man sich jetzt vielleicht: Alles schön und gut, aber wenn alles so toll ist, warum dann dieser Verein? Wie bereits erwähnt, ich möchte hier nicht den Trump machen, frei nach dem Motto “Was ich nicht möchte, gibt es nicht”. Genauso wie der Klimawandel keine chinesische Erfindung ist, gibt es grundlegende Probleme in einigen afrikanischen Regionen. Es geht hier nun nicht darum, einen Schuldigen für die Existenz dieser Probleme zu finden (ein gewisses Wissen über die Kolonialisierung des afrikanischen Kontinents und ihre Folgen sollte sich dennoch jede/r Interessierte aneignen), sondern selbst einen kleinen Beitrag zu leisten, um ihnen entgegenzuwirken. Beginnen tut dies meiner Meinung nach mit einem offenen Weltblick und indem man sich bestehender globaler Machtstrukturen bewusst wird, aber dennoch im Lokalen handelt. Auch aus diesem Grund ist es uns wichtig, dass wir als von Europäern initiierter Verein nicht nach Kenia kommen und dort “alles besser machen” wollen. Die Idee zur Vereinsgründung wurde durch Besuche bei und Gespräche mit meinen kenianischen Gasteltern Janet Mackenzie und Nashon Omondi angeregt. Bereits über die Weihnachtsfeiertage im Jahr 2013 hatte ich das Glück, meine Gastfamilie in die ‚Shags‘ (ländliche Regionen) zu begleiten, um die Mutter meines Gastvaters und das Dorf, aus dem er stammt, kennenzulernen. Auch nachdem ich 2014 wieder in Deutschland war, hielt sich ein enger Kontakt zu meiner zweiten Familie und weitere gegenseitige Besuche folgten.

Ende 2016 kamen meine leiblichen Eltern dann der Einladung meiner Gasteltern nach und ich hatte gute zwei Wochen Zeit ihnen Kenia annähernd so zu zeigen, wie ich es kennengelernt hatte. Dazu gehörte natürlich auch der Besuch in “Ugenya” und tatsächlich machten wir uns auf den Weg von Nairobi an die Grenze zu Uganda. Da meine ersten Kenia-Eindrücke schon eine Zeit her sind, möchte ich an dieser Stelle meinen Vater mit seinen ersten Impressionen zu Wort kommen lassen… .

Kenia – erster Besuch – Impressionen (von Prof. Dr. Alois Stimpfle)

Du kennst bereits, was Du siehst. Du kennst sie alle, die Bilder. Aus Film und Fernsehen. Und was Du hörst, hast Du schon im Ohr, oft genug in Radiosendungen gehört. Aus Zeitschriften und Tageszeitungen sind Dir all die Informationen bekannt. Alles medial vermittelt, in Bericht und Kommentar, in Essay und Feature, in Doku und Film.

Alles nicht echt, nicht authentisch! Vor Ort geht es dir auf. Beinahe wie Fakes. Denn nicht in Echtzeit erlebt, nicht im Echttraum erfahren. Die Realität ist eine andere – ein kaum fassbares Beeindruckt-Sein, überwältigend und beängstigend zugleich. Eine Live-Wirklichkeit, die zu Herzen geht, dabei brutal zupackt. Was Du wahrnimmst, lässt Dich verstummen. Vielfalt und Ambivalenz machen Dich regelrecht sprachlos . . .

Da ist einmal diese „afrikanische“ Natur – ihre Silhouetten und Konturen, Farben und Formen, Pflanzen und Tieren. Und diese scheinbar endlosen Weiten der Steppen, durchzogen von genauso weiten Flusstälern, dahinter wellenartige Hügelketten, aufgeschwungen manchmal zu ragenden Bergkegeln, manchmal zu mächtig geschnittenen Gebirgszügen. Und das Ganze eben nicht in Stein und Staub, mit Gras und Akazie, nein – grün oft soweit das Auge reicht, Weiden und Äcker und Plantagen . . .

Und dann diese „afrikanische“ Gesellschaft – zwischen Tradition und Moderne. Hier ein Leben in archaischer Ursprünglichkeit auf dem Dorf, einfachst und regelrecht idyllisch anmutend. Dort der mondäne Glanz des Stadt-Lebens, verquickt mit prekärster Lebens-Hässlichkeit. Agrarisch-ärmliche Gelassenheit, die gerade mal so für den alltäglichen Bedarf der Familie arbeiten lässt auf der einen Seite. Daneben die Unmäßigkeit eines Molochs, der sich sonnenbebrillt in rasanter Betriebsamkeit gefällt, im Glammer von Hochhausfassaden, Einkaufsmalls und Fresstempeln, mit Menschenmassen in den Slums, wie ausspuckt nicht nur in die Peripherie, die Latrinen kaum weniger offen als die Herdfeuer. Pure Lebenslust und neugierige Energie barfüßiger Schulkinder auf der einen Seite, andererseits Scharen herumstehender Jugendlicher, einer mindestens mit Moped, so oder so ereignis- und ziellos wirkend. Auf der einen Seite ein Geschmack von erbärmlicher Perspektivelosigkeit, zumal für die Mädchen, eh kaum mehr präsent bereits in den pubertären Jahrgangsklassen der Primaryschool. Aber dann wieder eine selbstbewusste New-Economy-Class, intelligent und kompetent dem Fortschritt verschrieben, gesellschaftskritisch aber auch und sozialethisch engagiert, zumal in Sachen Bildung und nachhaltige Entwicklung . . .

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Auf dem Rückflug plötzlich: Albert Schweitzer! Vielgelesener Bibeltheologe seiner Zeit, aus christlich-humanitären Gründen ein radikaler Laufbahn-Schnitt, Wechsel in die Medizin, Neustart als Arzt in der „Mission“. Zuletzt die Entdeckung des Prinzips Ehrfurcht vor dem Leben . . .

Die erinnerte Schullektüre Zwischen Wasser und Urwald. Erlebnisse und Beobachtungen eines Arztes im Urwald Äquatorialafrikas. Zuhause dann im Bücherregal Aus meinem Leben und Denken ausgegraben, vor Jahren auf dem Flohmarkt gekauft. Der resümee-artige Rückblick (S. 158-162) aus dem Jahr 1931 in Lambarene:

Das Tragische ist, daß die Interessen der Kolonisation und die der Zivilisation nicht immer in der gleichen Richtung laufen … Dadurch wird es sehr schwer gemacht, eine Kolonisation durchzuführen, die zugleich eine wirkliche Zivilisation bedeutet. Der wahre Reichtum die­ser Völker würde darin bestehen, daß sie dahin kämen, möglichst alles, was sie zum Leben notwendig haben, durch Ackerbau und Gewerbe selber hervorzubringen. Statt dessen sind sie einseitig darauf bedacht, das, was der Welthandel braucht und gut bezahlt, zu liefern. Vermittelst des dafür erhaltenen Geldes beziehen sie dann Fertigwaren und Lebensmittel von ihm, womit sie das einheimische Gewerbe unmöglich machen und oft sogar den Be­stand ihrer Landwirtschaft gefährden … Wieviel Mißstimmung wird in den Kolonien fort und fort dadurch hervorgerufen, daß Zwangsmaßregeln in Anwendung gebracht werden, die nur im Hirne eines Beamten, der sich bemerkbar machen will, zweckmäßig sind … Ackerbau und Handwerk sind das Fundament der Kultur. Nur wo es vorhanden ist, sind die Voraussetzungen für die Bildung und das Bestehen einer kaufmännischen und intellektuell beschäftigten Bevölkerungsschicht gegeben … Mit dem intellektuellen Lernen muß auf der kolonialen Schule der Erwerb jeglicher Art von Handfertigkeit einhergehen … Zuletzt ist alles, was wir den Völkern der Kolonien Gutes erweisen, nicht Wohltat, sondern Sühne für das viele Leid, das wir Weißen von dem Tage an, da unsere Schiffe den Weg zu ihren Gestaden fanden, über sie gebracht haben. Politisch sind die kolonialen Probleme, wie sie sich herausgebildet haben, nicht zu lösen. Das Neue, das kommen muß, ist, daß Weiß und Farbig sich in ethischem Geiste begegnen. Dann erst wird Verständigung möglich sein. An der Schaffung dieses Geistes arbeiten, heißt zukunftsreiche Weltpolitik treiben.

Seit 100 Jahren offensichtlich nichts dazugelernt, beide Seiten. Letztlich höchst frustrierend. Es kann nur besser werden – auch und zumal aus der christlich-humanen Einstellung von Albert Schweitzer (S. 162):

Wer unter uns durch das, was er erlebt hat, wissend geworden ist über Schmerz und Angst, muß mithelfen, daß denen draußen in leiblicher Not Hilfe zuteil werde, wie sie ihm wider­fuhr. Er gehört nicht mehr ganz sich selber an, sondern ist Bruder aller geworden.

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